Florian Till Franke von Krogh war einer der ersten Künstler, die vor eineinhalb Jahrzehnten im frisch gegründeten Kunstverein Hockenheim ausstellten. Ich war damals Gründungsvorsitzende und erinnere mich noch gut an seine in warmem Gelb, Orange, Rot leuchtenden Kopf-Bilder und –Wandobjekte, die in der Sommerausstellung in der Hockenheimer Stadthalle zu sehen waren. Der Künstler umkreiste das Motiv Kopf seit Mitte der neunziger Jahre bis etwa 2010. In vielen Schichten trug er die Farbe auf und erzielte so nicht nur eine tiefe Strahlkraft sondern auch eine kompakte, oft körnig von Sand oder kleinen Steinchen durchsetzte Malmaterie. Neben flächigen Bildern entstanden Wandobjekte aus Holz, ein Stück Balken zum Beispiel, in das Aluminiumdraht als Nase aufgebracht ist, darunter mit etwas Sand aufgefüllte Einkerbungen für den Mund, die Haut als verschiedenfarbiger, reliefartiger Überzug. Es sind abstrahierte Physiognomien, maskenartige Gesichter, streng in der Form, freundlich in der Farbigkeit. Das Überspannen mit silbern glänzendem oder übermaltem Draht wurde ein charakteristisches Gestaltungsmittel, das demjenigen, der Florian Frankes künstlerische Entwicklung etwas kennt, als formgebend für Stirn, Augenpartie, Nase, Mund erkennbar wird. Auch große, ganzfigurige Darstellungen werden so erfasst und in den Landschaften, die seit 2010 sein Hauptthema sind, wird der Draht ebenfalls eingesetzt. Er kann als langgezogenes Oval die Silhouette eines Baumes geben oder als Umschließung eines Bildelements dieses akzentuieren. Eine andere kompositorische Funktion ist die Rhythmisierung des Bildes, die einen illusionistischen Natureindruck konterkariert. Schließlich schafft der Draht in einigen Gemälden eine optische Barriere zwischen Betrachter und Bildwelt, erweckt den Eindruck von Innen- und Außenraum, etwa durch Fensterflügel oder sogar ein Gitter, das uns  von regelrecht aussperrt.
Als ich Florian Franke in seinem übervollen Atelier besuchte und schließlich in den Keller geführt wurde, kamen ganz andere Arbeiten aus der Frühphase des Künstlers zum Vorschein. Eine von ihnen ist in unserer Ausstellung zu sehen: Ein Wandobjekt von 1969 mit dem Titel Aus unserer Welt. Es zeigt wie auf einer Guckkastenbühne eine düstere Großstadtkulisse mit fensterlosen Wänden, von Spiegeln bedeckten Dächern und schwarz bemalten Figuren aus einem Tischfußballspiel. Ein Szenarium, in dem der Mensch Spielball einer anonymen, bedrohlichen Umgebung ist. Die frühen Werke waren dunkel, traurig, verschlossen. Die 1980 entstandene Mondlandung im obersten Geschoss gehört noch in diese Schaffensphase. Eine Ausstellung in der Ludwigshafener Scharpf-Galerie führte das dem Künstler vor Augen und bewirkte eine radikale Änderung der Palette. Was mich bei meinem Besuch auch erstaunt hatte, waren mit einer Mischung aus Farbe und Leim übergossene Alltagsgegenstände – Flaschen, Tassen, Schuhe, ein Bügeleisen, Zahnputzbecher. Florian Franke erstellte diese Arrangements als Relikte von heute für eine ferne Zukunft. Die Idee dazu hatte er durch die Ausgrabungen im Schälzig bekommen, bei denen man seinerzeit Höckergräber-Bandkeramik zutage gefördert hatte. Die Inspirationsquellen zu Frankes Schaffen sind vielfältig; bei den Köpfen waren es afrikanische Skulpturen, aber auch antike Bildhauerwerke und Ritterrüstungen. Es gibt Stillleben mit kubistischen Einschlägen, Kompositionen, deren strenges Ordnungsprinzip an Piet Mondrian erinnert. Jeder Künstler steht in einer kunstgeschichtlichen Tradition, aus der heraus er sich Vorbilder sucht, die seinem Ausdruckswillen und seiner Aussageabsicht entsprechen. Er entwickelt aus diesen Einflüssen seine eigene Bildsprache, indem er einzelne Aspekte, Kompositionsprinzipien, dramaturgische Effekte – zum Beispiel eine spezielle Lichtregie übernimmt und transformiert. Das ist ein Prozess kreativer Anverwandlung, der dem schöpferischen Potential des Künstlers den Weg bereitet, Eigenes zu gestalten, aus seiner Persönlichkeit und Zeit heraus. Das ist Florian Franke in allen seinen Werkphasen gelungen und seine Experimentier- und Schaffensfreude ist ungebrochen. Dabei fasziniert der Umgang mit dem Material, die ersichtliche Bedeutung des Werkprozesses und das immer wieder gelingende Bewusstmachen, dass Kunst unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit, unsere Erinnerungen, Gefühle in sublimierter Form zum Ausdruck bringt. Das gelingt nur bei einer tiefen Erlebnisfähigkeit einerseits und Gestaltungskraft andererseits. Beides hat Florian Franke und er ist wandlungsfähig und wendet sich immer neuen Gebieten zu. Wie der Landschaftsmalerei der vergangenen Jahre.
Gibt es heute noch Landschaftsmaler? Nicht allzu viele, aber Florian Franke ist einer von ihnen. In welcher prominenten Gesellschaft befindet er sich? Landschaft als eigenwertiger Bildgegenstand in hyperrealistischer oder impulsiv expressiver Formensprache findet sich bei den deutschen Malern Bernd Schwering, Ralph Fleck und Andreas Orosz. Sie ist vom Menschen gemachter Außenraum, erscheint  nicht als mimetisches Abbild einer wildwüchsigen Natur oder einer gepflegten Kulturlandschaft sondern überwiegend als zeichenhaftes Ergebnis einer gewaltsamen Besitzergreifung. Will man Landschaft hier als Spiegelbild von Stimmungen oder als Reflexion gesellschaftlicher Zustände lesen, so steht einem die ganze Entfremdung des modernen Menschen von der Natur vor Augen. Daher verwundert es nicht, dass für die meisten gegenständlich arbeitenden Maler Landschaft allein nicht mehr bildwürdig erscheint und dass sie kaum noch mehr ist als die Umgebung ihrer figurativen Darstellungen, die sie zu deuten hilft.
Die Kombination aus Figur und Landschaft findet sich hingegen bei Florian Franke höchst selten. Er trennt die Gattungen säuberlich in Form seiner stark abstrahierten Köpfe einerseits und assoziativer Landschaften andererseits. Der Fundus an Landschaftsbildern in seinem Schwetzinger Atelier ist kaum überschaubar und wächst beständig, denn die Schaffenskraft des Malers ist ungebrochen und der Brotberuf, die kunstpädagogische Arbeit als Lehrer, ist längst Vergangenheit. Dem Jungen Florian war die Kunst gleichsam in die Wiege gelegt; sein Vater war ein talentierter Freizeitmaler und noch heute hängen im Frankeschen Domizil zwei kleine konventionelle, aber durchaus ansprechende Landschaften nebeneinander, eine von der Hand des Vaters, die andere von dem nicht unbekannten Maler Johannes Thiel. Dieser gehörte zum Freundeskreis des jungen, musisch begabten Gymnasialprofessors Franke aus Kirchzarten und machte ihn mit der Tochter einer alteingesessenen norddeutschen Adelsfamilie bekannt. Genau zwei Jahre nach der Hochzeit seiner Eltern, am 30. Mai 1938, wurde Florian Till Franke von Krogh geboren. Nach dem frühen Tod der Mutter kam der Junge bald auf das Herrenhuter Internat in Königsfeld/Schwarzwald und trat nach dem Abitur 1959 eine Lehre bei der Deutschen Bank in Freiburg an, die er 1961 mit dem Kaufmannsgehilfenbrief abschloss. Indes war der künstlerische Impuls des jungen Mannes ungebrochen und die Stiefmutter, die der Emmendinger Industriellenfamilie Wehrle entstammte, ermöglichte ihm dann ein Jahr später einen sechswöchigen Malkurs bei Oskar Kokoschka an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg. An der Kunstschule Rödel in Mannheim schlossen sich drei Semester Malen und Drucktechnik an und dann eine kunstpädagogische Ausbildung zum Fachlehrer im Werken und Gestalten, die Basis seiner langjährigen Lehrtätigkeit an verschiedenen Schulen der Region. Daneben blieb immer noch Zeit für die freie künstlerische Arbeit, die Teilnahme an Ausstellungen und aktive Mitgliedschaften in Kunstvereinen.
Florian Franke kann auf eine eigenständige künstlerische Entwicklung zurückblicken und es wäre müßig, heute noch nach Vorbildern zu fragen. Nach besonderen Eindrücken, Inspirationen – ja. Und da fällt nicht an erster Stelle der Name des österreichischen Expressionisten Kokoschka, dessen leuchtende Farbigkeit und leidenschaftlicher Umgang mit der Farbmaterie ihn sicher nachhaltig beeindruckt haben, dessen bewegter Pinselduktus aber nie seine Sache war. Im Gegenteil, Florian Frankes Werke strahlen Ruhe aus. Mag es eine düstere Ruhe sein, wie in einigen sehr frühen, dunklen Objektbildern, oder ein gelassenes In-sich-Ruhen, wie in den charakteristischen Gemälden und Materialbildern jüngerer Zeit, die man ihm unmittelbar zuschreiben kann. Die Begegnung mit den Stillleben des italienischen Malers und Grafikers Giorgio Morandi in den 1960er Jahren ist Florian Till Franke in Erinnerung geblieben und die Namen Max Ernst und Kurt Schwitters fallen, Exponenten des Phantastischen, Skurrilen, des von der Realität Losgelösten.
Wie bei diesen Malern ist auch bei Franke das Geordneten, bildmäßig Gebaute der Landschaften prägend, die Darstellung aber souverän von der Wirklichkeit gelöst. Da werden Seherfahrungen ausgehebelt, werden Proportionen willkürlich verändert, muss es keinen perspektivisch erschlossenen Bildraum geben. So erblickt man in der Mitte eines kleinformatigen Gemäldes vor leuchtend gelbem Bildgrund einen dunklen Baum – vielleicht eine Zypresse -, dessen Krone in ein Oval gezogen ist, in dem zwei große rote Tropfen hängen. Sind sie die Hinterlassenschaft des Vogels, der auf der Baumspitze die sanften Hügel im Hintergrund weit überragt? Das zentrale Motiv wird durch zwei senkrecht aufgebrachte, silberne Metalldrähte besonders akzentuiert, während der orange übermalte Rahmen die Strahlkraft des Bildes steigert und so integrativer Bestandteil der Gesamtkomposition ist. Oft hat der Rahmen (wie gelegentlich auch innerbildliche Partien) eine körnige Struktur, weil in die Farbe Sand oder kleine Steinchen gemischt sind. Diese Textur bietet dem Auge einen reizvollen Übergang von der Malfläche zu den häufig darüber gesteckten Metalldrähten, die eine vorgeschaltete imaginäre Bildebene schaffen und je nach Lichteinfall ihren Schatten auf die gemalte Landschaft projizieren.
So wird die Illusion, auf der Leinwand das Abbild einer Landschaft zu erkennen, durch diese objekthafte Zutat konterkariert. Der Werkcharakter der Kunst soll sichtbar werden, das „Machen“ der gemalten Landschaft, die niemals Abbild sein will sondern die Natur einzig zum Anlass nimmt für einen schöpferischen Prozess. Dessen Ziel ist es, eine Stimmung wiederzugeben, wie es mit anderen Mitteln die Musik oder die Lyrik macht. Eine Stimmung, in der Summe von Werken wohl gar einen Charakter, eine Persönlichkeit, eine heitere, gelassene, das Leben bejahende Persönlichkeit. Diesen Eindruck vermittelt Florian Franke, wenn man ihm heute begegnet, ihn über seine Arbeit sprechen und die Augen strahlen sieht. Kunst als eine konzentrierte Ausdrucksform des Ichs, das den Betrachter unmittelbar verständlich und auf einer gemeinsamen Empfindungsebene anspricht. Landschaft als Stimmungsträger, das ist heute noch ein ebenso probates Mittel wie im Barock, beispielsweise bei den dramatischen Inszenierungen Jacob van Ruisdaels, oder in der Romantik bei Caspar David Friedrichs religiös überhöhten Landschaften. Auch Friedrichs Name fällt im Gespräch mit Florian Franke, der sich in der Kunstgeschichte gut auskennt und vielleicht von dessen erhabenen Landschaften wegen ihrer Wirkung in Art von Stillleben besonders angesprochen ist.
Was aber dem Romantiker innere Ruhe qua religiöser Durchdringung der Natur war, das ist dem Künstler von heute der schöpferische Prozess an sich, ein experimentelles Vorgehen mit offenem Ausgang, manchmal das geradezu spielerische Einbringen von Materialien in Collagetechnik, das Verwenden von Motivreihen, die der Komposition etwas Ornamentales hinzufügen. Kleine, im Kontext skurril erscheinende Elemente nehmen der Kunst jenen Ernst, der leider oft dem humorvollsten Künstler ins Werk hineininterpretiert wird. Dazu gibt Florian Franke keine Chance, wenn er beispielsweise rot-weiß gestreifte Kegel, die gemeinhin der Verkehrsabsperrung dienen, in einer dunklen Höhle platziert; oder ein kreisrundes Gestirn mit einem Dotterkern in den zitronengelben Himmel setzt. Oder wenn er dem Blick in eine Landschaft ein Drahtgitter zwischenschaltet, Abstand schafft, wie um verschiedene Realitäten zu trennen. Vieles entsteht aus der eigenen Vorstellungskraft, ergibt sich im Übereinanderlegen vieler kompakter Farbschichten und dünner Lasuren, einem geradezu plastischen Vorgehen, wie es Franke zuvor schon in seinen abstrahierten Kopf-Objekten praktiziert hat. Mancher surreale Effekt – wie der Vogel auf der beschriebenen Baumkrone – verdankt sich einem witzigen Einfall, wie sich an der offenen und herzlichen Person des Malers gelegentlich auch ein leicht schelmischer Zug bemerken lässt. Äußere Anregungen sind freilich ebenso notwendig für ein produktives und inspiriertes Arbeiten und das können Fotos aus der Zeitung sein oder der Blick aus dem Fenster – sei es in der Umsetzung als Fensterflügel, der die Sicht auf einen Baum und ein Kreuz freigibt, oder sei es in der Umsetzung der gleichförmigen Baumreihen im Schwetzinger Schlosspark, die als Baummotiv-Band im Gemälde auftauchen.
Faszinierend ist die Bandbreite von Stilmitteln und Materialkombinationen, die zu ganz unterschiedlichen Ausdrucksformen von konkret bis naturalistisch führen. Sand und mit Holzstaub vermischter Leim kommen zum Einsatz, Papier, Acryl- und Dispersionsfarbe, Fotoausschnitte, die teilweise übermalt und homogener Bildbestandteil werden. Die Freude am Kombinieren verschiedenster Materialien war Florian Franke schon als jungem Künstler, mit noch ganz anderer inhaltlicher Intention, zu eigen. Er hat sie sich bis heute bewahrt und diesem Schatz an gestalterischen Mitteln in seinen bevorzugten warmen, leuchtenden Farben – speziell dem Gelb und Orange – eine Qualität hinzugefügt, die nicht nur seine schöpferische Energie adäquat zur Anschauung bringt sondern auch eine positive Grundeinstellung zum Leben, einen persönlichen Einklang mit dem, was uns umgibt. Wir sehen in Florian Frankes Kunst einen friedvollen, harmonischen Ist-Zustand, den wir im Alltag viel zu selten wahrnehmen und empfinden – aus Unachtsamkeit oder weil unser Bewusstsein zu stark auf die traurigen und hässlichen Seiten des Lebens und auf das Schreckliche gerichtet ist, das uns durch die Nachrichten aus aller Welt täglich zugetragen wird. Florian Frankes Kunst zeigt hier als Korrektiv auf legitime Weise das Schöpferische als authentischen Ausdruck einer anderen, in sich stimmigen Wahrnehmung.
Martina Wehlte

 

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