Die Bogen-Skulpturen von Gerd Kanz, die in den vergangenen fünf Jahren neben sein malerisches Oeuvre getreten sind, zeigen die Faszination von der Form eines Bauelements, das wir als ein verbindendes abgespeichert haben. Es ist ein gängiges Sprachbild, einen Bogen zwischen zwei nicht zusammengehörigen Themen zu schlagen. Auch bautechnisch hat der Bogen eine konstruktive Funktion: er stabilisiert und ermöglicht Durchgänge. Das hat der Betrachter ebenso im Kopf wie die symbolische Qualität des Bogens als Element historischer Herrschaftsarchitektur, wenn er vor den dreidimensionalen Objekten von Gerd Kanz steht. Der Bogen ist als architektonische Form kein Selbstzweck sondern dient als Konstruktion von gekrümmter Form der Überdeckung von Öffnungen bzw der freien Überspannung bei Brücken, Torhallen usw. Es finden sich in verschiedenen Kulturen Zeugnisse der Bogenform aus vorchristlicher Zeit, etwa Rundbögen aus sorgfältig behauenen Keilsteinen in Stadtmauern, zum Beispiel in Volterra die Porta all’Arco. Die Blütezeit der Bogenkonstruktionen war dann unter den Römern, die sie an den arkadenartigen Fassaden von Repräsentativbauten verwendeten (dem Kolosseum), an Stadt- und Straßentoren wie der Porta Nigra in Trier sowie für Aquädukte und Brücken. Als Ausdruck ihres Herrschaftsanspruchs bauten die Römer im ganzen Imperium auch eindrucksvolle Ehren- und Triumphbögen und begründeten damit eine Tradition, die sich europaweit lange fortgesetzt hat.

Auch im Sakralbau sowohl der christlichen wie islamischen Baugeschichte spielt die Bogenform eine wichtige Rolle; denken Sie an die himmelwärts strebenden gotischen Spitzbögen und an die machtvolle Wiederbelebung des Rundbogens in der Renaissance. Als Fensterform in Kirchen aber auch in älteren offiziellen Gebäuden oder anspruchsvollen Privathäusern ist sie uns ebenfalls vertraut. Die horizontale stabile Basis verspricht Bodenhaftung, der halbrunde, elliptische oder spitzere obere Abschluss hat etwas Weiches, Vermittelndes. So stellt sich beim Betrachter der Wandobjekte und freistehenden dreidimensionalen Skulpturenvon Gerd Kanz eine ganze Reihe von Assoziationen ein, mit denen die Werktitel auch spielen. Brückenschlag ist der Titel der knapp zwei Meter hohen Arbeit von 2011, die zusammen mit der vor kurzem fertiggestellten Stele Milori an der Fensterseite in diesem Raum den zeitlichen Rahmen unserer Ausstellung absteckt. Der gebürtige Franke Gerd Kanz kann auf über zweihundert Einzel- und Gruppenausstellungen zurückblicken und ist mit zahlreichen Werken in Sammlungen und im öffentlichen Raum vertreten. Er lebt und arbeitet in einem großen historischen Gebäude in Untermerzbach, einer Gemeinde im Itzgrund zwischen Haßberge, Coburg und Bamberg. Das Anwesen, eine ehemalige Brauerei, hat viele Rundbogenfenster, die sicher bei der Hinwendung zu den Werkreihen von Bogenkompositionen inspirierend gewirkt haben.

Gerd Kanz ist ein produktiver, sehr diszipliniert und strukturiert arbeitender Künstler, der eine Grundidee an mehreren Werkstücken weiterentwickelt, variiert, verwirft und auch das Scheitern an einem Entwurf als Ausgangspunkt für eine neue Komposition konstruktiv nutzt. An einigen Bildern, die hier allerdings nicht ausgestellt sind, lässt sich diese Vorgehensweise gut beobachten, wenn der aus einem anderen Bild herausgetrennte Teil auf einer größeren Bildfläche aufgebracht und als Zentrum einer neuen Komposition in einen gelungenen Wirkzusammenhang hineinwächst. Die Vorstellung eines schichtweisen Wachstums stellt sich auch vor den Bogenvariationen ein, die aus leichten Styrodurplatten herausgesägt oder -geschnitten sind und zu viert, fünft oder zehnt hinter- und nebeneinander geklebt werden. Von Baukleber ummantelt, erhalten sie eine dunkle, oft mehrfarbige Grundierung und werden dann gekalkt und leicht geölt. Die Oberfläche wirkt trocken und ist dann mehrfarbig durchbrochen – auch hier, im Farbauftrag, ein schichtweises Arbeiten -, so dass der Eindruck entsteht, die Zeit habe durch Abrieb, Verwitterung ihre Spuren hinterlassen, was ja der unebenen, ungeraden Form der Bögen durchaus entspricht.

Nicht nur der Trocknungsprozess bedingt ein langsames Arbeiten (auch wieder an mehreren Stücken gleichzeitig) sondern ebenso diese sorgfältige Gestaltung der Oberfläche, die erkennen lässt, dass Gerd Kanz von der Malerei herkommt und die Materialität seiner Arbeiten ebenso von der Farbe wie von der haptischen Form geprägt ist. Obwohl der Eindruck von porösem Baumaterialn oder die abgeschliffenen Kanten, die man beispielsweise an der erwähnten Milori-Stele gut beobachten kann, an viele Jahrhunderte alte Bauten denken lassen, erweist sich das rasch als Täuschung, denn die unterschiedlich gesetzten Bogengitter widersetzen sich der Illusion einer stringenten Architektur. Wo räumliche Tiefe suggeriert wird, bleibt der Raum doch derart unspezifisch, dass wir ihn nicht betreten können. Es gibt keine einheitlichen Bodenplatten, auf denen man vorwärts gehen könnte; und wo sich ein Torbogen öffnet, wird er auf der dahinter liegenden Ebene schon durch eine aufragende Strebe der nächsten Bogenreihe verstellt. Was zunächst so offen wirkt, als könnte man durch lichte Arkadengänge wandeln, erweist sich als undurchdringliches Gitter, sobald man optisch Einlass begehrt. Es ist ein spannungsreiches Spiel zwischen den widerstreitenden Eindrücken von einem luftigen Gebilde und einem hermetischen Labyrinth von Gängen und Durchgängen, die allenfalls in die Breite, aber nicht in die Tiefe führen. Wohin auch? In einen spirituellen Raum, ja, vielleicht in ein Jenseits, wie es sich die Witwe eines verstorbenen Architekten und Musikers für ihren Mann gewünscht haben mag, als sie Gerd Kanz den Auftrag für ein Grabmal in Art der gezeigten Bogenobjekte gab. Ein besonderer, in diesem persönlichen Fall wohl naheliegender Brückenschlag, der ebenso den Rhythmus, den musikalischen Charakter der Raumreliefs aufgreift, ihre Verdichtungen und ihre Kreuzstrukturen, die sich auch des öfteren in Gerd Kanz‘ Bildern finden.

Tafelbild – Bildskulptur lautete der Titel seiner monografischen Ausstellung 2010/11 in Coburg. Er bezog sich ausschließlich auf die bildmäßigen Arbeiten, die eine reliefartige Vorgehensweise zur Basis einer wirkungsstarken, materialbetonten Malerei macht. Solche Werke – jüngeren Datums – sind auch in dieser Ausstellung zu sehen. Es sind Öl-Tempera-Arbeiten auf dünnen Holzplatten, in die mit Stecheisen und Hammer vorsichtig Furchen gegraben werden, so dass grafische Strukturen, Linien, Grate und häufig Gitternetze entstehen. Teile werden sodann herausgebrochen, puzzlemäßig zusammengesetzt und auf Karton aufgebracht. Der Farbauftrag folgt diesen Formstrukturen und erhält durch sie seine starke Wirkung. Sowohl die vier monochromen mittleren Formate im einen Kabinett als auch das Ensemble aus acht kleinformatigen Holztafeln im anderen Kabinett lassen erkennen, dass jeweils ein farb- und formspezifisches Grundthema in Werkreihen behandelt wird. Der Künstler, der auch ein passionierter Hobbygärtner ist und beide Tätigkeiten in ihrem gleichmäßigen Charakter als meditative Handlung und spirituelles Erlebnis beschreibt, geht motivisch oft von Pflanzenformen aus, die sich abstrahiert in seinen Bildern auffinden lassen. Der geistige Gehalt, der den Themen Natur und Wachstum in dieser abstrakten Umsetzung zueigen ist, wird im Lineament, in den auffälligen Kreuzstrukturen, in der aufgebrochenen, schrundigen Oberfläche und der ruhigen, ausdifferenzierten Farbigkeit anschaulich, ohne sich doch leicht in Worte fassen zu lassen.
Ich wünsche Ihnen einen ganz persönlichen Zugang zu und stillen Dialog mit diesen eindringlichen Werken.
Martina Wehlte

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